Es sind so viele Dinge, ohne die unser Leben nicht mehr vorstellbar wäre, ganz einfache und hoch komplizierte, simpel scheinende Ideen und Produkte langer Überlegungen. Von Abort bis Zündholz, vom Bügeleisen bis zur Waschmaschine, von der Brille bis zum PC, das eine mehr als 700 Jahre bekannt und immer noch unentbehrlich, das andere noch kaum 20 Jahre alt und schon allgegenwärtig. Auf Dinge wie Stuhl oder Bett möchte man nicht verzichten, auch wenn man auch auf dem Boden ganz vorzüglich sitzen oder auszuruhen kann. Für manche der Dinge, die uns umgeben, kennt man ein genaues Geburtsjahr, etwa das als Frankfurter oder außerhalb Österreichs als Wiener Würstchen bekannte „fingerfood“, das heuer angeblich 200 Jahre alt wird, oder das Fernsehen, das heuer als Massenmedium in Österreich seinen 50. Geburtstag feiert. Aber die meisten der Dinge, die uns umgeben, sind so vertraut und so selbstver- ständlich, dass man meint, es hätte sie schon immer gegeben und dass ein Leben ohne sie kaum mehr vorstellbar scheint. Das kann so schnell gehen wie mit dem Handy, und das können uralte Traditionen sein wie das verhüllte Haar, um das im Kopftuch immer noch gestritten wird.
Das Wirtschaftswunder hat die Welt der Dinge in einem unvorstellbaren Maße erweitert. So ist das heurige Gedenk- und Erinnerungsjahr auch geeignet, sich Gedanken zu machen, was in den vergangenen 50 oder 60 Jahren uns selbstverständlich geworden ist, wie vor 60 Jahren eine Welt ganz ohne viele dieser vertrauten und damals nicht bekannten oder vergeblich ersehnten Konsumgüter ausschaute.
Eine ganze Serie von Ausstellungen zur Alltagskultur wird in diesem Jahr gerade diese Welt der Dinge lebendig werden lassen: Es ist nicht nur Nostalgie, sich an Dinge zu erinnern, die einst große Bedeutung hatten und inzwischen kaum mehr gebraucht oder vergessen sind, wie das Zündholz oder der Spazier- stock, oder an eine Zeit, als heute Selbstverständliches kulturelle Untergangsstimmungen auslöste, vom Coca Cola über die Jeans bis zum Kaugummi.
Regelmäßig jede Woche wird an eines der vielen Dinge und Produkte erinnert, die unser Leben verändert haben, die einst Wunderdinge waren, heute vergessen sind und Objekte der Nostalgie und Sammelleidenschaft geworden sind, oder so selbstverständlich geworden sind, dass man sie fast nicht mehr wahrnimmt: ob so neu wie Kreditkarte und Handy, oder schon so alt gedient wie Schirm und Stock, ob der berühmte Steyr-Traktor Typ 180 oder der Puch 500, eine unerschöpfliche Geschichte, von der alle ihre eigenen Erfahrungen haben, die Welt unserer Dinge.
Roman Sandgruber
Oberösterreichische Nachrichten, 23. April 2005, 37.