„I bi nu in Rosszeitalter áfgwachsn ...“, schrieb der unlängst verstorbene Innviertler Mundartdichter Gottfried Glechner: Es war für die meisten der älteren Bauern und Knechte der entscheidende Einschnitt in ihrem Arbeitsleben: die Weggabe der Pferde, auch für den populären Landespolitiker und Lasberger Bauern Johann Blöchl: „Der Gedanke fiel mir sehr schwer: Dass das Pferd, das edelste der Haustiere, das der Menschheit in Krieg und Frieden so gute Dienste geleistet hat, nun nicht mehr gebraucht wird!“, schrieb er in seiner Autobiographie. Im Zeitraum 1950 bis 1965 wurden in Österreich etwa 200.000 Pferde und 120.000 Zugochsen durch etwa 185.000 Traktoren ersetzt.
Ross und Wagen, vielleicht auch ein Steierwagerl waren früher der größte Stolz des Bauern. Rossbauer, Ochsenbauer, Kuhbauer lautete die nach unten gestaffelte Hierarchie der Zugtierausstattung. Die Betriebsgrößen differenzierte man gerne nach „Pferdestärken“: In Kleinvierkantern gab es meist nur zwei Pferde, solche Anwesen wurden als „zweirössig“ bezeichnet. Mischtypen waren meist „vierrössige“, und Großvierkanter galten als „sechsrössige“ Häuser. Es konnte aber bis zu „zehnrössig“ hinaufgehen. Die Pferdeställe befanden sich im Vierkantgebiet meist in unmittelbarer Nähe zum Wohnbereich. Das Pferdegeschirr machte den ganzen Stolz der Geräteausstattung aus. In der Derbheit des Bauernspruchs „Weibersterben kein Verderben, Rossverrecken großer Schrecken“ werden Wertigkeiten deutlich.
Pferde genossen hohen Status, der Genuss ihres Fleisches war tabuisiert. Erbost waren die Linzer Armen, als sie um die Mitte des 19. Jahrhunderts von dem Begründer der Allgemeinen Sparkasse Oberösterreich Graf Barth von Barthenheim zu einem Festessen eingeladen und nachträglich informiert worden waren, dass er ihnen Pferdefleisch vorgesetzt hatte. „Graf Barthenheim gibt Euch Rossfleisch zum Essen, dass Ihr alle krank werdet. Nieder mit Ihm! Schlagt Ihn todt! ...“, stand auf einem in der Revolution von 1848 in Linz verbreiteten Flugblatt.
Der Zweite Weltkrieg war noch mit zahlreichen Pferden geführt worden. Und viele der Flüchtenden kamen in langen Zügen von Pferdefuhrwerken. Im April 1945 brach die Nahrungsmittelversorgung völlig zusammen. Man musste nehmen, was zu bekommen war. Glücksfälle waren, trotz des immer noch weit verbreiteten Ekels vor Pferdefleisch, die vielen notgeschlachteten Pferde der Flüchtlinge und Soldaten.
Knapp vor der Mitte des 20. Jahrhunderts erreichte die Zahl der Pferde den Höhepunkt und sank dann mit der beginnenden Traktorisierung rapide ab. Erst ein neues, Freizeit bedingtes Interesse am Reit- und Fahrsport hat zu einer Stabilisierung, ja sogar wieder leichten Zunahme der Pferdehaltung geführt.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 21. Mai 2005, 30.