Kondome

Heinrich Heine bevorzugte sie in Veilchenblau und ließ sie sich aus Seide von einer Göttinger Schneiderin eigens anmessen. Casanova brüstete sich, 1753 den gesamten Vorrat daran ausgerechnet einer Wiener Nonne aus ihrer Kommode entwendet zu haben. Die Rede ist von Kondomen oder Präservativen. Ihre Anfänge fallen mit der Angst vor der Syphilis zusammen, die im 16. Jahrhundert nach der Entdeckung Amerikas aus der Neuen in die Alte Welt eingeschleppt worden war und in Europa einen schrecklichen Blutzoll forderte. Zuerst wurden sie aus gewebten Stoffen gefertigt und waren nicht besonders effizient. Heine bewahrten sie nicht vor der Ansteckung mit der gefürchteten Geschlechtskrankheit, an der er elendiglich verstarb. Die ersten wirksamen Exemplare wurden aus Därmen hergestellt. Der Erfinder des Gummikondoms im Jahr 1855 war der Gummi- und spätere Reifenfabrikant Charles Goodyear. 1912 wurde eine Methode gefunden, nahtlose Kondome zu erzeugen und ab 1929 mit Latex ein weiterer Schritt in Bezug auf Wirksamkeit und Preis gemacht.

Gehandelt wird das Produkt möglichst verschwiegen, in der Diskretion der Apotheken und Beratungsstellen und über das anonyme Automatengeschäft. Ferry Ebert, der Wiener Automatenkönig, hatte als Kondomvertreter im Jahre 1956 in Österreich die ersten 300 Kondomautomaten aufgestellt, in Bahnhofs- und Gasthofstoiletten und sonstigen öffentlichen, aber stillen Örtchen, und hat damit lange Zeit diesen stummen Handel dominiert. Die populäre Namengebung schreibt ihre Verwendung meist den anderen zu: in Österreich den „Parisern“, in Frankreich mit „capote anglaise“ den Engländern, in England hingegen mit „french rubber“ den Franzosen. Es ist ein verstecktes Geschäft, und nur der indiskrete Ferry Ebert weiß in seiner geschwätzigen Autobiographie Namen zu nennen, wer aller in Österreich einem Kondomplatzer seine Existenz zu verdanken habe.

Kondome sind immer noch ein großes Geschäft. War es einst die Angst vor der Syphilis, so hat nach dem großen Umsatzeinbruch durch die Antibaby-Pille Aids wieder für neue Verkaufsrekorde gesorgt: Für Österreich wird der Markt auf etwa 20 Millionen Stück beziffert. Weltweit werden etwa 8 bis 10 Milliarden Stück pro Jahr produziert.

Wie so vieles, nicht nur die Gurken- und Bananenkrümmung, wurden von der EU auch die Kondome normiert, wobei die Verhandlungen darüber einem „Spiegel“-Bericht aus 1993 zufolge in eine kuriose Lizitation zwischen Engländern, Skandinaviern und Franzosen über die vorgeschriebene Länge ausgeartet sein sollen, die jedenfalls, und da wollte Europa einmal nicht hinter den USA zurückstehen, nicht unter den dortigen Normwerten liegen sollte.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 18. März 2006