Geschenke

Weihnachten ist längst zum großen Geschäft geworden: die Hektik des Einkaufens, des Geschenke Besorgens und des Eintauchens in einen glitzernden Werberummel hat jegliche Besinnlichkeit, die der Advent als Vorbe- reitung auf die Geburt des Herrn eigentlich bringen soll, in den Hintergrund gedrängt.

Es sind mehrere Arten von Geschenken, die in der heutigen Gabenfülle unter dem Christbaum zusammengeflossen sind, einerseits Gaben, die an einen Baum gehängt und von diesem wie von einem Maibaum abgeräumt wurden, zweitens Gaben, die an herumziehende Gruppen verteilt wurden, drittens die Weihnachtsmahlzeit, an der alle Hausangehörigen teilhaben konnten, und viertens Geschenke, die anlässlich des Jahreswechsels gegeben wurden.

Das Christkind als Gabenbringer gibt es noch nicht sehr lang. Früher verteilte die Geschenke der heilige Nikolaus. Von den Reformatoren, die den katholischen Heiligenkult zurückdrängen wollten, wurde statt der Nikolausbescherung die Weihnachtsbescherung gefördert. Seit dem 16. Jahrhundert verwandelten verschiedene deutsche Städte ihre Nikolaimärkte in Weihnachts- und Christkindlmärkte. In den evangelisch dominierten Regionen wurde der heilige Nikolaus zum recht weltlichen Weihnachtsmann. Das Christkind als Gabenbringer konnte sich nur langsam durchsetzen. Im Böhmerwald sprach man bis ins beginnende 20. Jahrhundert lieber vom „Goldenen Rössl“, das Geschenke ins Fenster stellte.

Man denkt bei Weihnachtsgeschenken vor allem an Gaben für die Kinder. Aber die Kinderbescherung steht erst seit neuerer Zeit im Vordergrund. Weihnachtsgeschenke wurden an Dienstboten, Arme und Bettler gegeben. Die Dienstboten erhielten einen Laib Brot, vielleicht auch ein Hemd oder ein Paar Schuhe. Auch die Vermummten, die in der Weihnachtszeit in manchen Brauchtumsregionen noch immer herumziehen, bekamen Gaben. Der oft drohende Ton der dabei verwendeten Heischelieder hat sich freilich inzwischen auf Halloween verlagert.

Auch die Haustiere wurden früher in der Weihnachtsnacht beschenkt. Das Vieh im Stall musste am Weihnachtsabend von allen Gerichten kosten, bekam ein Stück Brot oder ein besonderes Futter, oder die Tiere wurden am Abend besonders reichlich gefüttert. Die Reste des Weihnachtsessen brachte man den Obstbäumen in den Garten. Im Pinzgau sagte man: „Bam, esst’s!“ So bekam auch die Natur ihren Teil, in einem Fest, das ja für die Menschen früherer Zeiten die entscheidende Wende im Jahreskreislauf bedeutete: die wieder wachsende Sonne und damit wieder erwachende Natur.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 10. Dezember 2005