Osterhase

Zu Ostern kommt der Osterhase. Er bringt die Eier. Das mag in Zeiten der Vogelgrippe manche beruhigen und die Umsätze der Eierproduzenten nicht ganz in den Keller rasseln lassen. Der Osterhase ist überhaupt ein praktischer Gesell. Den Schokoladeproduzenten erlaubt er in passendem Abstand zu Nikolaus und Krampus eine zweite Saison. Und ein brummeliger Osterhase mit langen Ohren, dicker Brille und großem Buckelkorb ist auch für die Kinder als Eierfärber und Eierlieferant kuscheliger und liebenswerter als eine gackernde Henne.

Wann die Tradition aufgekommen ist, dass der Hase die Eier bringe, ist nicht ganz klar. Als ältester Beleg wird oft ein schweizerisches Kinderlied aus dem Jahre 1789 genannt. Aber schon in einer lateinisch geschriebenen Abhandlung des Heidelberger Mediziners und Universitätsprofessors Georg Franck von Franckenau über die Ostereier aus dem Jahr 1678 findet man einen Hinweis auf den Hasen als Eierlieferanten. In Wahrheit sind es uralte Fruchtbarkeitsmythen.

Für die Verbindung von Ostern, Eiern und Hasen gibt es zahlreiche Theorien. Dass der Hase das erste Tier sei, das schon im zeitigen Frühjahr Junge zur Welt bringt, erklärt ihn nicht als Eierlieferanten. Dass der Osterhase von einem schlecht gezeichneten Lamm bzw. einem „verbackenen“ Osterlamm herstamme, nimmt sich ziemlich hausbacken aus. Auch dass evangelische Theologen im 17. Jahrhundert den Osterhasen als Eierlieferanten erfunden hätten, um sich damit von den Katholiken zu distanzieren, deren Fastenbräuche und insbesondere Eierweihe sie strikt ablehnten, mutet recht konstruiert an.

Dass der Hase ein altes Fruchtbarkeitssymbol ist, lehrt uns ein Blick ins Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Eier legende und Eier bringende Fabel- und Wundertiere, vom Basilisken über den Fuchs und das Lamm bis zum Kinder bringenden Storch und eben auch dem Hasen, spielen in Mythologie und Volksglauben eine große Rolle. Zur Ausrüstung der Alchimisten, die in der frühen Neuzeit mit sehr viel Aufwand daran arbeiteten, Kupfer in Gold zu verwandeln, gehörte neben allerlei chemischen Apparaturen immer auch eine Hasenpfote als Zaubermittel. Sich solch eine Hasenpfote in den Hosenlatz zu stecken, wurde für Fruchtbarkeits- und Potenz fördernd gehalten oder täuschte dies zumindest deutlich erkennbar vor. So verkörpert sich im Osterhasen die uralte Reproduktionskraft der Natur, auch wenn man nicht glauben darf, dass er unser Problem der viel zu niedrigen Geburtenraten wird lösen können.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 8. April 2006

 

 

Artikel von Roman Sandgruber aus der Serie "Alltagsdinge" in den Oberösterreichischen Nachrichten.