Der A …

Wir sind im Mozart-Jahr und gleichzeitig im Freud-Jahr. Das berechtigt, einem gewichtigen Körperteil, den heute niemand mehr auszusprechen wagt, ein paar Zeilen zu widmen. Denn kein Künstler hat häufiger und manischer auf sein Hinterteil verwiesen als der diesjährige musikalische Jahresregent, und Stefan Zweig hat Professor Freud daher auch eine Analyse dieses Mozartschen Hangs zur Fäkalsprache vorgeschlagen: Vom berühmten Tritt, den der große Komponist vom Grafen Arco in den Allerwertesten erhalten haben soll, über die berechtigten Klagen über den feuerroten Hintern beim endlosen Postkutschen-Fahren bis zum aus bestimmten Gründen selten aufgeführten Kanon mit dem Götz-Zitat, wo es dem Mozart gelang, das erwähnte Körperteil immer in der prominentesten Tonlage hervorzuheben.

Mozart liebte die deftige Ausdrucksweise. Das 18. Jahrhundert hatte hier noch wenig Scheu. Dem nackten Hintern wurde in Aberglauben und Rechtsleben große symbolische Bedeutung beigemessen. Daran erinnert noch das umgangssprachliche „Hosen Herablassen“ der Habenichtse. Ein zahlungsunfähiger Schuldner hatte nach altem Rechtsbrauch auf offenem Markt unter Zeigen des nackten Hinterns zu erklären, dass er nichts mehr habe und man sich an seinem unbewehrten Körper schadlos halten könne. Das Zeigen des nackten Hinterns war auch ein gängiger Zauberbrauch. Hagel und Sturm sollten damit abgewehrt und Angreifer und Belagerer damit abgeschreckt oder geärgert werden. Das war durchaus auch Anlass für schwerwiegende diplomatische Verwicklungen: Im Mai 1913, in der spannungsgeladenen Zeit vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, hatten mehrere Passagiere des serbischen Dampfers „Belgrad“, der sich bei Semendria dem österreichischen Donauufer genähert hatte, die dort aufgestellte ungarische Wache durch Entblößen „eines gewissen Körperteils“ verhöhnt. Die Wache feuerte daraufhin mehrere Schüsse ab, durch die der Kapitän und ein Reisender auf eben ihrem Allerwertesten verletzt wurden.

Der Wiener liebt es an sich etwas gemütlicher: „Na, glans Oaschal, siaß Dreckscheißal, wia geht’s da denn?“, lässt Christine Nöstlinger die Ottakringer Blumenhändlerin Wondraschek reden. Und erzählt wird von einem der liebensürdigsten akademischen Lehrer an der Universität Wien, dem längst verstorbenen Kärntner Germanisten Eberhard Kranzmayer, der das große Projekt eines Bayerisch-österreichischen Wörterbuchs in die Wege leitete, dass er bei der bekannt langen Zeitdauer derartiger Vorhaben auf die etwas boshaft gestellte Frage, wie rasch es fertig gestellt werden würde, antwortete: Das Wort „Arsch“ möchte er schon noch erleben. Er hat sein Ziel knapp erreicht.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 11. Februar 2006.