Fische

Fische sind die vornehmsten Fastenspeisen: Stockfische und Salzheringe oder vielerlei Fische aus den heimischen Gewässern. Einen wirklichen Konsumverzicht stellen und stellten sie sicher niemals dar, denn sie sind und waren, zumindest in unseren Breiten, in aller Regel viel teurer als das Fleisch. Nur dort, wo man sich Fische leisten konnte, in den Klöstern und beim Adel, konnten sie daher auf den Tisch kommen. Ein wirklicher Konsumverzicht aber waren und sind sie nicht. Zweifellos war dies im Mittelmeerraum anders. Dort war Fleisch rar und gab es aus dem Meer alltäglich Fisch. Zudem wurde der Name Jesu mit den Buchstaben des griechischen Wortes für Fisch (Ichthys) gedeutet: J(esus) Ch(ristos) Th(eou) Y(ios) S(oter) (deutsch „Jesus Christus, Gottes Sohn, der Erlöser“).

Als die Fastengebote noch deutlich strenger und viel umfassender waren als heute, war daher die Fischversorgung ein zentraler Bestandteil jeder Klosterwirtschaft. Bei den mittelalterlichen Klostergründungen achtete man, dass sie nicht nur eine entsprechende Versorgung mit Wein, sondern auch eine ebensolche mit Fisch hatten. Dass die Fischesser zu den Oberschichten zählten, dessen war sich die Volksmeinung immer sicher: Der die Suppe aß, wurde gefangen, die die Fische aßen, gingen ihren Weg, sagt das Sprichwort, was nichts anderes bedeutet als, die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Und man sagte auch: Er ist ein ehrlicher Mann, er isst keine Fische. Politische Zugehörigkeit konnte damit auffällig signalisiert werden, wenn es für manche Deutschnationale zur Pflichtübung gehörte, am Aschermittwoch oder Karfreitag demonstrativ mit einer Wurst- oder Leberkässemmel in der Hand über die Straße zu spazieren.

Als Kaiser Joseph II. nicht nur viele Klöster, sondern auch viele Fasttage abgeschafft hatte, führte dies zu einem deutlichen Rückgang des Fischverbrauchs in Österreich. Viele der großen Fischteiche, die es im Waldviertel, in Südböhmen oder auch in Oberösterreich gab, wurden trocken gelegt. Seit dem 2. Weltkrieg ist der Fischkonsum wieder im Steigen, von nicht einmal 2 Kilo pro Kopf auf fast 8 kg heute. Die Moden und Vorlieben haben aber starke Änderungen erfahren. Waren nach dem Krieg die Ölsardinen, oder wenn es etwas nobler sein sollte, in Tomatensoße, das Ziel der Sehnsüchte, hernach die gefrorenen Fischstäbchen und panierten Seefische, so bieten inzwischen die heimischen Fischmärkte nicht mehr nur Karpfen und Forellen, sondern exotische Sorten, bei denen die meisten Österreicher früher nur mit der Achsel gezuckt hätten: Meerbrassen, Papageienfische, Red Snapper… Fische sind längst keine Fastenspeisen mehr. Aber es gibt ja auch kaum mehr Fastengebote.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 9. Februar 2008