Fußball

Die nächsten Wochen regiert König Fußball. Fußball ist eine Weltmacht. Doch die Welt des Fußballs ist eine andere als die der Politik. Die USA, nicht nur die größte Militär-, sondern auch die größte Sportmacht der Welt, verschließen sich dem Fußball. Aus ihrem Blickpunkt ist Fußball europäisch, auf jeden Fall nicht amerikanisch. Daran ändert auch der Umstand nicht viel, dass es in den USA etwa 17 Millionen Soccer- oder Fußball-Spielerinnen und Spieler gibt, etwa 6 Prozent der Bevölkerung. Das öffentliche Interesse daran ist gering. Es ist wenig Geld involviert. Fußball gilt in den USA als Sport der Immigranten, Minderheiten und Frauen.

Fußball ist zutiefst europäisch. Er ist, was die le Präsenz betrifft, wenn schon nicht hinsichtlich der Zahl der Aktiven, der bedeutendste Volkssport Europas. Doch das Europa des Fußballs hat andere Grenzen als das Europa der Politik. Es ist viel größer als das Europa der Europäischen Union: die UEFA, der europäische Fußballbund, umfasst nicht nur die Beitrittsanwärter Rumänien und Bulgarien, sondern auch Russland, die Ukraine und Weißrussland. Auch die Türkei und Israel gehören im Fußball längst zu Europa, ebenso wie Aserbaidschan, Georgien, Armenien und Kasachstan.

Doch eine Hälfte der Bevölkerung kommt dabei nicht vor: die Frauen. Ganz im Unterschied wiederum zu den USA, wo europäischer Fußball fast zur Hälfte als Frauensport betrieben wird. In Europa und Lateinamerika hingegen ist Fußball mehr oder weniger eine fast reine Angelegenheit der Männer geblieben. Die weltweiten Machtverhältnisse im Damenfußball sind andere als im Männerfußball. Man könnte sagen: sie entsprechen sehr viel eher den realen politischen Gegebenheiten. Die USA sind mehrmalige Weltmeister. Ganz vorne rangiert auch China. 2003 konnte auch Deutschland den Damenweltmeistertitel erringen, ohne dass dies in irgendeiner Weise in den Medien stärker registriert worden wäre. 2007 wird die Weltmeisterschaft in China ausgetragen werden. Österreich, das ist schon ganz klar abzusehen, hat in der Qualifikation nicht die geringste Chance.

Frauenfußballmeisterschaften, ob auf nationaler, europäischer oder weltweiter Ebene, laufen noch weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ab. Doch Änderungen scheinen sich auch in Europa abzuzeichnen: Die Fußballbegeisterung der Männer beginnt auch auf die Frauen überzugreifen. Der Fußball schafft nicht nur ein größeres Europa, er verbindet die ganze Welt. Doch eine ganze Hälfte der Bevölkerung kann und muss noch hereingeholt werden.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 3. Juni 2006, 39.