Auch im Zeitalter der Computer gilt der Bleistift immer noch als Hort der Kreativität: „Ein Bleistift, ein Stück Papier und viel gute Ideen“, plakatierte eine bekannte Linzer Werbeagentur jüngst als Eigenmarketing. Schreibtäfelchen und Schreibstift galten schon in der Antike als Attribute der sozialen Überlegenheit, nicht etwa Geldbeutel oder Schwert. Die Römer liebten Bilder mit schreibenden Frauen, den Griffel nachdenklich sinnend an die Lippe gepresst. Und das Schwarz oder Grau des Bleistifts galt als Zeichen intellektueller Gedanklichkeit.
Bleistifte enthalten schon lange kein Blei mehr. Im ausgehenden Mittelalter schrieb und zeichnete man mit Legierungen aus Blei und Silber. Schon seit dem 16. Jahrhundert wurde immer häufiger Graphit, den man in der entsprechenden Reinheit damals nur in England förderte, in hölzerne Hüllen gefüllt. 1789 wies der deutsch-schwedische Chemiker Carl Wilhelm Scheele nach, dass es sich dabei um ein auf Kohlenstoff basierendes Mineral handle. Er gab ihm den Namen Graphit, was von dem griechischen Wort graphein (zu deutsch schreiben) abgeleitet ist. Im ausgehenden 18. Jahrhundert entdeckten der Wiener Joseph Hardtmuth und der Franzose Nicolas-Jacques Conté ziemlich zeitgleich ein Verfahren, mit dem auch unreines Graphit aus Minen in Deutschland und Österreich verwendet werden konnte. Sie vermischten Graphitstaub mit Ton und Wasser und brannten ihn in einem Ofen in unterschiedliche Härtegrade. Joseph Hardtmuths Enkel Friedrich schuf 1889 den Koh-i-noor-Stift mit 17 Härtegraden, benannt nach dem berühmten Diamanten, und kreierte damit eine österreichische Weltmarke.
Der Bleistift beinhaltet Macht. Gleichzeitig gelten die Bleistiftmenschen als Stubensitzer. Niemand hat die Bleistifttäter treffender ironisiert als Wilhelm Busch in seiner Ballade von Don Pedrillo und der schönen Schneiderstochter, die durch den spitzen Bleistift ihres Verehrers zu Tode kam: „… Au schrie plötzlich da Pedrillo, und das Mädchen schrie es auch. Tödlich fielen beide nieder unter einem Myrtenstrauch … Ach, ein Bleistift Nr. 7, den Pedrillo zugespitzt, zugespitzt an beiden Enden, hatte dieses Blut verspritzt.“
Zum Bleistift gehört der Radiergummi: Bleistift und Radiergummi nützen dem Gedanken mehr als ein Stab von Assistenten“, behauptete Theodor Adorno. „Moderne Geschichte sollte man lediglich mit dem Bleistift schreiben“, meinte Israels Ministerpräsidentin Golda Meir in Anspielung an das dauernde Umschreiben der Geschichte. Der Computer ist hier würdig in die Fußstapfen des Bleistifts getreten. Denn nichts geht schneller als das Löschen eines digitalen Textes.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 3. Februar 2007