Knödel

Dass der Knödel ein Oberösterreicher ist, hört man im Genussland Oberösterreich recht gerne. Oberösterreich, ja ganz Österreich, ist eine Knödellandschaft. Es gibt sie in vielerlei Arten, größer und kleiner, süß und sauer, aus Mehl, Kartoffeln oder Gries, nach Mühlviertler und nach Innviertler Art. Aber auch das Waldviertel hat seine Knödel. Und erst recht Tirol, Bayern oder Böhmen. Ob gefüllt mit Grammeln, Haschee oder Speck, mit Zwetschken, Marillen, Erdbeeren, Eis oder Nugat ….und erst die industriellen Ausgeburten der Germ- oder Mohnknödel in den alpenländischen Schiparadiesen: Der Erfindungsgabe sind kaum Grenzen gesetzt. Die gute österreichische Küche ist eine Knödelküche: In der Suppe die Leberknödel, zum Schweinsbraten die Semmelknödel, mit denen sich schon Karl Valentin in seinen Sprachspaltereien so sehr abplagte, und zum Nachtisch die Topfenknödel: ein perfektes, aber doch recht kräftiges Menü. Das Beste aber sind immer noch die Mühlviertler Mehlknödel, nur „staubert“ müssen sie sein, nicht spießig.

In manchen Regionen des Innviertels mussten einst jeden Tag die roggenen Knödel auf den Tisch kommen. Dass allerdings die Knödel in Oberösterreich erfunden worden seien, überlassen wir der patriotischen Lobrede. Wie alle grundlegenden Dinge wurden sie sicher viele Male erfunden, ob in der römischen Antike, wo den Göttern Knödel geopfert wurden, oder schon in den Mondseer Pfahlbaudörfern, in denen urzeitliche Knödel ausgegraben wurden. Die große Zeit der Knödel aber begann mit dem Siegeszug der geformten Mehlspeisen in der frühen Neuzeit. Damals wurden sie so eng mit der bayerisch- österreichischen Volksseele verbunden, dass man sagte, ein Bayer würde schon der Knödel wegen sein Land nie verlassen. Aber Knödel finden sich nicht nur in Österreich und Bayern, sondern auch in der Oberlausitz und am Niederrhein, in Schwaben und im Elsass. In Thüringen gibt es sogar ein Knödelmuseum. Und Knödel gibt es auch im Schlaraffenland, neben den Gebirgen aus Parmesan und den Weinreben, die mit Bratwürsten angebunden sind.

Werden Knödel gekocht, so darf man sie nicht zählen, sagt der Aberglaube. Solange die Leute die Brote in den Backöfen und die Knödel in den Töpfen vorrechnen, werde keine gute Zeit sein. Wenn früher im Internat, wo es viele hungrige Bubenmäuler gab, an einem Herbsttag Zwetschkenknödel serviert wurden, wurden sie tatsächlich nicht gezählt. Wo sonst alles recht knapp portioniert war, konnte jeder nach Belieben zugreifen und der Rekord eines durchaus recht schmächtigen Innviertler Mitschülers wurde mit 62 Stück registriert.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 14. Oktober 2006, 39.