Postbus

Der Postbus jubiliert. Seit 100 Jahren fahren Postbusse durch Österreich. Am 6. August 1907 wurde zwischen Neumarkt und Predazzo in den Südtiroler Dolomiten die erste Postautobuslinie des alten Österreich eröffnet, im selben Jahr auch noch von Linz nach Eferding und durchs Helenental von Baden nach Alland. „Für alle“ war das Programm. Denn nichts anderes bedeutet ja das lateinische „omnibus“. Omnibusse waren ursprünglich vielsitzige Stell- oder Lohnwägen, die zuerst 1823 für den Innenstadtverkehr in Paris eingeführt worden waren und die jedermann gegen geringes Fahrgeld benutzen konnte. Auch im biedermeierlichen Wien wurden solche mit Sitzen ausgestattete Leiterwagen oder Omibusse für Heurigenbesuche und Sonntagsausflüge rasch sehr beliebt. Billiger als eine eigene Kutsche waren sie auf jeden Fall.

Seit 100 Jahren ist der Omnibus in Österreich motorisiert. Der 1906 zum Generalpostdirektor ernannte, aus Wels gebürtige Dr. Friedrich Wagner Ritter von Jauregg, ein Bruder des Nobelpreisträgers, gilt als Pionier des österreichischen Postautodienstes. Die ersten Postbusse der Marke Austro-Daimler waren mit 28 PS-Benzinmotoren und Vollgummireifen bestückt. Sie fassten 17 Personen und waren mit einer Höchstgeschwindigkeit von 22 km/h unterwegs. Für die Dunkelheit gab es Karbidlampen. Der neue Postomnibus war ein Verkehrsmittel für alle und alles: in Tälern und Regionen, die von der Bahn vergessen waren oder nicht erreicht werden konnten, für Pendler und Hausierer, für marktfahrende Bäuerinnen und erlebnishungrige Touristen. Es gab Omnibusse mit offenem, geschlossenem und halboffenem Aufbau, in Cabrio-Ausführung und mit Faltdach, im Winter auch die so genannten Postraupenschlitten, die, obwohl eigentlich als Wüstenfahrzeuge konzipiert, mit ihrem Raupen-Kettenantrieb auch ungeräumte Straßen bewältigen konnten und in den Dreißiger Jahren zwischen Radstadt und Mauterndorf, später auch nach St. Anton und Lech im Einsatz waren. Es gab „Benziner“ und „Holzvergaser“, die wenn nötig, auch mitten im Wald „nachtanken“ konnten. Ab 1935 wurde auf Dieselmotoren umgestellt.

Die österreichische Postautogeschichte versammelt sämtliche klingenden Namen der österreichischen Automobilgeschichte: Austro-Daimler, Austro-Fiat, ÖAF, Gräf & Stift, Fross-Büssing, Lohner, Perl, Puch, Saurer und Steyr. Heute gibt es zwar keine österreichischen Autobuserzeuger mehr. Aber der Postbus ist immer noch für alle da, auch wenn vom „Omnibus“ nur mehr die weitgehend sinnentleerte Endsilbe geblieben ist und der Postbus gar nicht mehr zur Post gehört. So wünschen wir den 2005 mit dem Bahnbus zur Marke „Postbus – ein Unternehmen der ÖBB“ fusionierten und nunmehr im trendigen „sandquarz“ fahrenden Postbussen weitere 100 Jahre „im Dienste aller“.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 9. Juni 2007, 33.