Alljährlich versammelt sich die noble Gesellschaft zum medienwirksamen Fastensuppenessen, zubereitet von den erlesensten Haubenköchen. Suppen sind die Fastengerichte schlechthin. Sie sind sparsam. Im Topf geht nichts verloren und alles lässt sich verwerten. Suppen und Breie sind die ältesten Speisen, die sich der Mensch gekocht hat. Die Sprachwissenschaftler sind sich allerdings nicht einig, ob das altindische „supah“ für Brühe und das altnordische „supa“ sprachgeschichtlich tatsächlich zusammenhängen oder ob nur eine lautmalerische Ähnlichkeit für die schlürfende Tätigkeit des Suppenessens besteht. Auch Suppe und Saufen könnten verwandt sein. Das Wort Suppe selbst jedenfalls ist im Deutschen erst im 14. Jahrhundert üblich geworden und hat einen älteren indogermanischen Wortstamm verdrängt, der im Lateinischen als 'jus' und in den slawischen Sprachen als „jucha“ oder „jicha“ auftritt und uns seit dem 17. Jahrhundert nur mehr als „Mistsuppe“ bzw. Jauche geläufig ist. Da ist die lateinische Sprache schon nobler, wo „jus“ durch seine zufällige Lautgleichheit mit dem Wort für „Recht“ Anlass zu vielerlei Wortspielen gab, die Juristen zu Suppenkasparn machten: Wenn Juristen die Suppe zu dünn finden, so kann sich der Beschuldigte noch Chancen auf einen Freispruch ausrechnen. Und: „Wen der Fürst betrügen will, dem gibt er Brief und Suppen viel“, will meinen, auf die Politiker und ihre Täuschungen soll man sich nicht zu sehr verlassen.
Alles in einem Topf zu kochen, mutet archaisch an. Alte Mythen belegen, dass ein großer Teil der täglichen Speisen früherer Zeiten aus Suppen und Breien bestand. Man braucht nur an die berühmte „Schwarze Suppe“ der Spartaner zu denken. Am großen Stellenwert von Breien und Suppen in den Märchen und Sagen, im Brauchtum und im Sprichwort, von der Brautsuppe und der Totensuppe bis zur Fastensuppe und Klostersuppe, lässt sich die Bedeutung ablesen. Wer lange suppt, lebt lang, meint das Sprichwort. In der bäuerlichen Redeweise steht Suppe für Mahlzeit allgemein: Hiasl, Simmerl, Lenz, Suppenessen kemmts, ruft die Bäuerin. Das wichtigste in der Suppe waren die Brocken: Ein Turm ohne Glocken/ eine Suppen ohne Brocken/ ein Mensch ohne Lehr/ seind alle nicht weit her, reimte Abraham a Sancta Clara. Im Mittelalter jedenfalls war das Prestige der Suppe nicht hoch. Breie und Suppen galten als Bauernspeisen. Wildbret und Fisch als Herrenspeisen. Der die Suppe aß, wurde gefangen, die die Fische aßen, gingen ihren Weg, was nichts anderes bedeutet als, die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 24. Februar 2007