Als vor 50 Jahren, im Jahr 1955, der Verkäufer von Milchshake-Maschinen Raymond Kroc das Hamburger-Restaurant der Brüder McDonalds im sonnigen Kalifornien kaufte, konnte er nicht ahnen, dass er damit eine Entscheidung getroffen hatte, die ihn zum vielfachen Milliardär machen sollte. Inzwischen sind es mehr als 30.000 Restaurants in insgesamt 119 Ländern. Die McDonaldisierung der Welt ist zum Schlagwort geworden.
1977 eröffnete McDonald’s am Wiener Schwarzenbergplatz seine erste Filiale in Österreich. Ein Sturm der Entrüstung und des Kulturpessimismus ging durch die Wiener Zeitungen: man sah nicht nur das Ende des gemütlichen Wiener Beisels oder der gediegenen österreichischen Gasthauskultur, sondern den Verfall aller Werte und die Ausbeutung der ganzen Welt gekommen. „Neon und viel Stress“, titelte eine Zeitung: „McDonald’s kreiert in Österreich auch eine völlig neue Art des Gastes: den Rauswurfgast. Den Go-away-Gustl. Schließlich leben wir ja in einer Wegwerfgesellschaft.“ Ein anderer Kritiker setzte nach: „Der Charakter des Lokals ist amerikanisch: schnell essen, schnell trinken, schnell gehen. Man kennt ja diesen Helden: Speedy Gastritis.“ Als hingegen vor 25 Jahren, im Jahr 1980, der erste Mac in Linz eröffnete, im ehemaligen Ohne Pause-Kino auf der Landstraße, gab es erstaunlich wenig Reaktionen. Die Oberösterreichischen Nachrichten hatten dafür nur acht Zeilen übrig.
Das Neue war nicht das schnelle Essen außer Haus. Das war in den Würstelbuden und Imbissständen längst bekannt. Neu waren der industrielle Charakter und die einheitliche Ästhetik der Produktion und der Verkaufsorte. Fast Food ist mehr als schnelles Essen. Es ist Automatisierung, Standardisierung, Effizienz, Produktstyling, gleich bleibender Geschmack, überall in der Welt die gewohnte Umgebung. Das neue System entsprach genau den Ansprüchen der Industriegesellschaft: Speisen, die wie Autos am Fließband herausrollen und am Fließband an die Konsumenten abgegeben werden. Es ist die Künstlichkeit und die Uniformität, die die Produkte der Industriegesellschaft auszeichnet: Das faschierte Laibchen, das in seiner Form und Konsistenz jede Anspielung an die tierische Herkunft des Fleisches vermeidet, versucht sich an einer der wesentlichen Voraussetzungen des Fleischessens vorbeizumogeln, dem Schlachten. Der Vorgang des Schlachtens würde vielen Käufern den Appetit verschlagen. Auch die Fischstäbchen und Chicken-Nuggets lassen keine Erinnerung mehr an das Lebewesen aufkommen, ebenso wie die Pommes frites die runde Form der Kartoffel unkenntlich machen und die Milchshakes mit natürlicher Milch nicht mehr viel gemein haben. Künstlichkeit überall. Der Erfolg von McDonalds basiert darauf.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 26. November 2005