In Österreich ist immer Schmarrnzeit. Auf den Schihütten wird er genauso serviert wie im Goldenen Hirschen, auf der Alm und im Hotel Sacher, auf den Parties der Schickeria beim Stanglwirt in Going oder als Massenver- köstigung beim Kaiserfest in Ischl: die Rede ist vom „Kaiserschmarren“. Man hat schöne Anekdoten erzählt, wie dieses Gericht erfunden und mit seinem kaiserlichen Namen ausgezeichnet worden sei, Geschichten vom stets leutseligen Kaiser Franz Joseph und von der stets schönheitsbewussten Kaiserin Sissi, dass, als der Leibkoch dieses sehr nahrhafte Gericht aus zerrissenem Omelettenteig und Zwetschkenröster der geradezu manisch linienbedachten Kaiserin vorzusetzen versuchte, der Kaiser die Situation rettete, indem er sagte: „Na, geb’ er mir halt den Schmarren her, den unser Leopold da wieder z’sammkocht hat.“
Zwar war Kaiser Franz Joseph durchaus kein gemütlicher Esser und Kaiserin Elisabeth alles andere als leutselig. An der kaiserlichen Tafel soll es recht steif und stumm zugegangen sein. Aber der Österreicher glaubt auch als eingefleischter Republikaner an den alten Kaiser und seine Gerichte: Es sind meist sehr einfache Speisen, die der Österreicher solcherart kaiserlich geadelt hat: Die Kaisersemmel, das Kaiserfleisch, das Kaiserschöberl, das Kaisergerstl, den Kaisergsprizten, das Kaisergulasch, die Kaisermelange und vieles mehr. Das mag als Erfolg der politischen Propaganda des Kaiserhauses gesehen werden, dem Herrscher damit ein möglichst volksverbundenes und einfaches Image zu verpassen, wo der Herr Hofrat dem Kaiser täglich zwei frische Kaisersemmerl von der reschen Bäckerstochter in der Babenbergerstraße hinein in die Hofburg bringt, und das in der Habsburgernostalgie und im Wienfilm beharrlich weiter gepflegt und von der Tourismuswerbung konsequent genutzt wurde.
Da tut es kaum etwas zur Sache, dass die sprachlichen Zusammenhänge durchaus auch etwas verzwickter und ganz anders zu sehen sein dürften und die kaiserliche Auszeichnung des traditionellen Holzknechtssschmarrns sich eher von italienisch „a la casa“, nach Art des Hauses oder „wie in einfachen Hütten“, also simpel vom „Hausschmarrn“ herleiten dürfte. Und dasselbe dürfte wohl auch für die Schöberl, die Semmeln oder den fetten Bauchteil des Schweines, das „Kaiserfleisch“, und für sonstige Gerichte gelten, die von noblen Köchen „a la casa“ also nach Art des Hauses, serviert werden. Wenn dann der Gast dabei zur Überzeugung kommt, er esse wie ein Kaiser, so ist das ja nicht das Schlechteste für das Renommee des Hauses. Hauptsache, es schmeckt. Und das wollen wir den vielen kaiserlichen Genießern durchaus wünschen.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 25. März 2006