Mette

Die Christmette ist die zentrale Feier des Weihnachtsfests. Hier hat das „Stille Nacht, heilige Nacht“, dessen laute Indienstnahme während des gesamten Weihnachtstrubels ja kaum mehr Besinnlichkeit und Stille zulässt, seine einzige und schöne Berechtigung. Dem Zauber der Heiligen Nacht sind viele erlegen, ob sie nun Adalbert Stifter, Peter Rosegger oder Eugen Roth hießen: Die Tourismusmanager haben die Christmette längst als attraktives Event entdeckt und in ihre Pauschalarrangements aufgenommen, ob im großen Dom oder in der einsamen Waldkirche, nach einer gemeinsamen Fackelwanderung mit Glühweinstopp und vor einem festlichen 5-Gänge-Menü im Kerzenlicht mit Turmbläsern und Keksverkostung. Fast 50.000 Treffer wirft das Internet aus, wenn man Christmette mit Weihnachtsurlauben kombiniert: ob in Heiligenkreuz oder Heiligenblut, in Berlin oder Budapest.

Die Mette kommt von den benediktinischen Stundengebeten. Matutin heißt das erste der sieben täglichen Gebete, das zwischen Mitternacht und dem frühen Morgen, noch vor Sonnenaufgang, von den Mitgliedern der geistlichen Orden verrichtet wird. Bereits im Althochdeutschen. wurde das lateinische Wort eingedeutscht und war im Mittelhoch- deutschen schon als „metten“ geläufig: Heute, wo das frühe Aufstehen und die lange Nachtwache kaum mehr jemandem abzuverlangen gewagt wird, ist die Matutin in den kirchlichen Gebeten mit Ausnahme der strengen Orden durch eine zu jeder Tageszeit absolvierbare Lesestunde ersetzt. Doch auch früher war es mit der Kirchendisziplin nicht immer so streng: „Fritz war ein guter Mönch, ein Feind der frühen Mette“, dichtete Friedrich Hagedorn.

Die Mitternachtsmette wurde zum Inbegriff der christlichen Hochfeste, der Weihnachtsfeier, aber auch, wenn auch viel weniger vermarktet, der Osterfeier. Doch das Christentum kennt auch die „schwarze“ oder „finstere“ Mette. Die Pumpermette, auch Polter- oder Rumpelmette, die früher am Gründonnerstag und Karfreitag gefeiert wurde, erhielt ihren Namen, weil man dazu keine Glocken läutete, sondern mit Schlagen und Klopfen und hölzernen Klöppeln die Trauer zum Ausdruck brachte. So konnte die „Mette“ geradezu in den Begriff des Gepolters und Getöses übertreten und wurde auch zum Inbegriff des Unglücks und Missgeschicks: „Des is aber a metten!“ sagt man zu Unordnung und Unheil. „Was Spott, was Not, was Fretten, was Metten muss er nit ausstehen“, schreibt Abraham a Sancta Clara. Und wenn die Mette vorbei ist, ist sie vorbei: „Die Mette ist gesungen.“ Die Chance ist verschlafen und versäumt. Es ist nicht alle Tage Weihnachten.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 22. Dezember 2007, 33.