Neuerdings ist Oberösterreich ein Schokoladenparadies. Johannes Bachhalm, der in seiner Konditorei in Kirchdorf vor zwei Jahren mit der Schokoladenproduktion begonnen hat, erzeugt nicht irgendeine Schokolade, sondern an die 50 Sorten, mit weißen Trüffeln oder mit Brombeeren, mit Pfeffer und Chili und nunmehr passend zum Mostdipf auch mit oberösterreichischem Most.
Die Heimat der Schokolade ist Mexiko. Beide Namen, sowohl Schokolade wie Kakao, stammen vom gleichen altmexikanischen Wort „Xocoatl“ oder „Kakuatl“ ab, von „xococ“ = „herb“ und „latl“ = "Wasser“. Nach aztekischen Vorstellungen war die Schokolade ein Getränk der Götter, das diese den Menschen geschenkt hatten. Mag sein, dass deswegen der schwedische Botaniker Linné dem Kakaobaum den botanischen Namen „theobroma cacao“ gab: Götterspeise Kakao.
Für europäische Geschmacksempfindungen war diese Götterspeise sicher anfangs äußerst fremd: sie schmeckte bitter und scharf: Der Mailänder Girolamo Benzoni, der von 1542 bis 1556 in Mittelamerika weilte, nannte sie ein „Säugetränk“, eine Tränke für Schweine. Er ergänzte aber, dass er sich wohl oder übel habe daran gewöhnen müssen, wollte er nicht das erbärmliche Wasser trinken.
Die Schokolade war unter den drei neuen „warmen Lust-Getränken“ der frühen Neuzeit, nämlich Kaffee, Tee und Schokolade, das vornehmste und teuerste. Sie galt als stärkend, in der Fastenzeit ebenso wie vor dem Geschlechtsverkehr. Kaiser Franz Stephan, der Gemahl Maria Theresias, dem neben den 16 ehelichen Kindern auch zahlreiche außereheliche nachgesagt werden, trank sie in großen Mengen. Schokolade war einst ein Gegenstand höfisch-aristokratischen Lebensstils, hernach ein typisches Produkt der Stadt und ist durch die Industrialisierung zu einem Massenprodukt geworden: ob als Tafel oder Bonbons, als Kugel oder gefüllter Riegel, als Krampus, Nikolaus oder Osterhase, ob gefüllt oder pur, als Pulver und als Flocken, zum Kochen und immer noch und immer wieder auch als Getränk.
Inzwischen ist Schokolade in den westlichen Industriestaaten längst kein teures Luxusgut mehr. Für den Massenmarkt ist sie eine ideale Substanz, die in Pausen ein schnelleres Gefühl der Erfrischung und Erleichterung schafft oder zu schaffen scheint, die sich leicht mit anderer Nahrung kombinieren lässt und in der sich dennoch immer noch die große symbolische Macht der Frühzeit verbirgt. Und die neuen Schokoladenmacher machen sie zu einem Kultobjekt: verkosten, nicht essen, ist das neue Motto.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 10. Juni 2006, 40.