Fächer

Diesen Sommer mag sich wohl mancher danach gesehnt haben, sich einen kühlenden Luftzug zuzufächeln. Wenn es weiter zunehmend wärmer wird, könnte der Fächer wieder zu Ehren kommen. In die Geschichte eingetreten ist der Fächer als Statussymbol ägyptischer Pharaonen und orientalischer Herrscher. Schon im Grab des Pharao Tutanchamun (1350 v. Chr.) wurde ein goldener Wedel mit Federn gefunden. Frischluft zufächelnde Sklaven mussten ständig zur Stelle sein und den hohen Herrschaften etwas Kühlung verschaffen. Zur vollkommensten künstlerischen Entfaltung aber wurden die Fächer in China und Japan entwickelt. Über portugiesische Händler gelangten sie von Ostasien nach Europa. Das Rokoko wurde zur großen Blütezeit des Fächers. Es fächelten die Damen wie die Herren. Die Stücke wurden aus kostbarsten Materialien gefertigt und mit den vielfältigsten Mustern und Darstellungen ausgestattet. Man fächelte sich nicht nur Frischluft zu, sondern auch die üblen Ausdünstungen weg, die die recht wenig gewaschenen Körper verbreiteten. Doch der ständige Fächergebrauch signalisierte mehr: nämlich, dass man die Hände nicht zur Arbeit benötigte und sich das Nichtstun und ständige Fächeln leisten konnte. Es entwickelte sich eine eigene Fächersprache, mit der sich eine Dame auch ohne Worte mit einem Verehrer verständigen konnte. Man konnte versteckte Signale aussenden und die eigene Mimik hinter dem Fächer gut verbergen. Auch Thermometer, versteckte Spiegel oder sonstige geheime Mechanismen konnten an den Deckstäben angebracht sein.

Das bürgerliche Arbeitsethos verdrängte den Müßiggang. Männerfächer kamen außer Gebrauch. Viel länger hielten sich die Damenfächer. Gegen Ende des 19. Jahr- hunderts gab es passende Fächer für alle Gelegenheiten: Hochzeitsfächer, Trauer- fächer, Tanzfächer, Andenkenfächer. Bis zum Ersten Weltkrieg und dem Ende der Monarchie konnte er sich als Modeaccessoire für bestimmte Anlässe noch halten. Nachher wandelte sich der Fächer immer mehr zum Werbeträger, Ballgeschenk und Reisesouvenir. Die „Tanzstundenfächer“, die die Mädchen zu ihrer Tanzstunde erhielten, konnten sie sich von ihren Tanzpartnern signieren lassen. Nach dem zweiten Weltkrieg war der Fächer endgültig passé, nicht nur weil er nicht mehr gewollt wurde, sondern weil er auch nicht mehr gebraucht wurde. Der Ventilator und die Klimaanlage haben dem Fächer die Bedeutung genommen. Aber manchmal würde man sich ganz gerne wünschen, sich hinter einem Fächer verstecken und sich wieder der Sprache der Fächer bedienen zu können.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 25. August 2007, 29.