Allerorten ist wieder Grillzeit. Sauber abgepackt, in handliche Dreikilosäcke abgefüllt, wird die Holzkohle nachhause getragen. „Hätt ich Eisen und Kohl, da wollt' ich mich ernähren wohl“, lautet ein alter Schmiedespruch der Eisenwurzen, der hier auf ganz andere Weise zumindest zum Teil wieder wahr wird. Macht man mit der Kohle noch „Kohle“? Der einst so wichtige Beruf des Köhlers ist nahezu ausgestorben. Früher zeugten die rauchenden Kohlenmeiler von der regen Gewerbetätigkeit überall im Land. Die Versorgung mit Holzkohle war der ausschlaggebende Faktor für Gedeih und Verderb der Schmiede der Eisenwurzen. Die Köhlerei war eine einsame Tätigkeit. Zehn Tage dauerte der Kohlvorgang. Die rußigen Köhler konnten dabei ihre Meiler nie allein und unbeobachtet lassen. Denn das Feuer im Meiler durfte weder ausgehen, noch durfte es, was die viel größere Gefahr darstellte, zu mächtig werden und im Inneren des Meilers ein „Nest“ ausbrennen oder gar den ganzen Meiler in Flammen aufgehen lassen. Tief drinnen im Walde hausten sie. Ihre Hütten bestanden aus einem auf dem Boden anstehenden Holzdach, das sich mit seinem rückwärtigen Ende an einen Hang anlehnte. Drinnen ein notdürftiger Herd, ein noch notdürftigeres Lager, eine Schütte Stroh, ein paar schmutzige Wolldecken, daneben eine Luke, von der aus der Köhler den Meiler ständig im Auge behalten konnte. Unangepasstes und sozialrevolutionäres Gedankengut konnte da leicht aufkommen und einen fruchtbaren Boden finden: „100 Köhler, 99 Spinnerte“ hieß es. Nur dort, wo sich große Kohlplätze befanden, bei den Länden, wo das Holz hingeschwemmt und an den riesigen Rechen aufgefangen wurde, gab es mehr soziale Kontakte und leidliche Unterkünfte für diese rußigen Gesellen.
Die alte Eisenindustrie hing am Wald und fraß sich in den Wald hinein. Man brauchte zur Erzeugung einer Tonne Eisen etwa 6 Tonnen Holzkohle. Der Holzkohlenbedarf der steirischen Eisenindustrie um die Mitte des 19. Jahrhunderts entsprach bei nachhaltiger Nutzung einer Waldfläche von etwa 300.000 ha oder fast dem gesamten damals forsttechnisch nutzbaren Waldbestand der Steiermark. Nie war der Wald so übernutzt und geschädigt als vor dem Übergang zur Mineralkohle. Diese brachte zwar eine Entlastung der Wälder, aber neue, viel größere Umweltprobleme und vor allem auch das Ende der Köhlerei. Der kräftige, herbe Geruch, der von den Kohlenmeilern ausging, und der Rauch, der sich als blaues Wölkchen über die Wälder hinzog, sind verweht. Die langen Kolonnen der Kohlfuhrwerke sind verschwunden. Über die asphaltierten Bundesstraßen donnern mit Blochen und Schleifholz beladene Schwerlaster.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 2. Juni 2007, 32.