Handschuhe

Es ist die kalte Jahreszeit. Man ist um warme Handschuhe oder Fäustlinge froh. Handschuhe zieht man heute an, wenn es kalt ist. So einfach war es nicht immer: Handschuhe waren früher ein Zeichen von Macht und Würde. Sie verbanden Alltägliches und Geheimnisvolles, schützten und verhüllten. Die kostbaren, zumeist aus empfindlichen und teuren Materialien gearbeiteten und öfters am Tag gewechselten Handschuhe signalisierten Reichtum, Muße und Distanz zur Umgebung. Dass eine Frauenhand im Freien stets von einem Handschuh bedeckt zu sein habe, war bis zum Zweiten Weltkrieg ein festgeschriebenes Gesetz der Etikette. Aber auch der vornehme Herr durfte seine Handschuhe nicht zuhause lassen, selbst im heißesten Sommer nicht.

Dass der Handschuh einmal etwas Besonderes war, wird uns noch aus mancherlei Redewendungen bewusst: Den „Fehdehandschuh werfen und aufnehmen“, „mit Samt- oder Glacéhandschuhen anfassen“, „wie Hand und Handschuh sein“. Im Mittelalter unterschied man sachlich und sprachlich zwei Typen der Handbekleidung, den fingerlosen Fäustling, den „wantus“, vom alten Wortstamm Gewand, der im Französischen „guante“ noch weiterlebt und im Spanischen auch die Nebenbedeutung „Bestechung“ angenommen hat, und den eigentlichen Handschuh, dessen sich Könige, Bischöfe und Ritter nicht nur als Prunk- und Schmuckstück bedienten, sondern der auch als Amtszeichen und Rechtssymbol große Bedeutung gewann.

Die Benutzung des Handschuhs bei rituellen und liturgischen Handlungen folgt der alten Tradition der verhüllten Hände bei der Darbringung religiöser Opfer oder der Entgegennahme göttlicher Geschenke, in der Absicht, sich vor unbekannten magischen Einwirkungen zu schützen und das Heilige nicht zu verunreinigen. Zu Amtszeichen und Rechtssymbolen wurden die Handschuhe daher zuerst für Bischöfe und Äbte und wurden erst später auch von weltlichen Würdenträgern übernommen. Handschuhe zu übergeben dokumentierte nicht nur die Feindschaft, sondern besiegelte auch die Freundschaft: das Handschuhwerfen wurde zum Zeichen der Fehde und Verachtung, das Handschuhübergeben zum Zeichen der Unterwerfung, Beschenkung und Bestechung, weil man solche Bestechungsgeldern gern in gefüllten Handschuhen übergeben hat.

„Die Bauern haben den besten Handschuh. Sie ziehen ihn nur an, wenn es kalt ist, gewiss nicht im Zimmer“, kritisiert Sebastian Kneipp die Unlogik bürgerlicher Etikette. Inzwischen haben wir, zumindest was die Handschuhe betrifft, die Logik der Bauern und des berühmten Pfarrer Kneipp übernommen.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 7. Jänner 2006