Hetze

Im Fasching will man seine „Hetz“ haben. Von einer „Hetz“ redet der Österreicher, wenn ihm etwas ein ganz besonderes Vergnügen bereitet, das meist auf Kosten anderer geht. Das weist schon auf die recht grausame Herkunft solcher Vergnügungen. „Gehn wir in den Prater, gehn wir in d'Hetz, … der Bär ist verreckt, was thät' ma in der Hetz drauß, im Prater giebts Gelsen und Haufen voll Dreck“, geht ein Mozartscher Kanon (KV 558, Wien 1788). Im 18. Jahrhundert war klar, dass mit einer „Hetze“ eine Tierhetze gemeint war, eine der populärsten Unterhaltungen im damaligen Wien. Man vergnügte sich in den Hetztheatern an blutrünstigen Schauspielen, bei denen ein Stier gegen Hunde oder Wildschweine kämpfte, ein Wolf ein Lamm zerriss oder ein Bär ein junges Schwein auffraß oder man beteiligte sich am Fuchsprellen, bei dem verängstigte Füchse in Netzen solang hin und her gejagt und geworfen wurden, bis sie tot waren.

Im 18. Jahrhundert gab es in Wien noch mehrere Hetztheater und verschiedene Einkehrgasthöfe, wo Tierhetzen zum Unterhaltungsprogramm gehörten, das man den Gästen anbot. Am bekanntesten war das große, 3000 Personen fassende hölzerne Amphitheater mit drei Galerien, das 1755 auf der Wiener Landstraße, dem heutigen dritten Wiener Gemeindebezirk, erbaut worden war. Die heutige Hetzgasse erinnert noch daran. Die Arena hatte einen Durchmesser von 42 Metern. In der Mitte befand sich ein Wasserbassin. Während der Vorstellung pflegte eine türkische Musik zu spielen. Trotz hoher Eintrittspreise war die Arena immer gedrängt voll, jeden Sonn- und Feiertag, zeitweise auch am blauen Montag. Im Fasching erschienen die Tiere maskiert.

Der Kaiserhof unterhielt sich teurer, aber nicht weniger grausam: Man ließ etwa nacheinander einen Bären, eine Löwin und einen Tiger auf einen Stier los. Oder man vergnügte sich bei übermäßig grausamen und blutigen Hetzjagden. Und auf dem Land machte man sich „seine Hetze“ mit kleineren und billigeren Tieren. Beliebt waren Hahnenkämpfe oder auch das vor allem in der Obersteiermark, aber auch in Oberösterreich verbreitete „Hahnschlagen“, wo mit verbundenen Augen mit einem Dreschflegel oder ähnlichem Gerät nach einem an einem Pflock an einer längeren Schnur festgebundenen Hahn geschlagen werden musste, so lange wohl, bis das Tier tot war.

1796 war das Wiener Hetztheater ein Raub der Flammen geworden. Das Theater wurde nicht mehr wiederaufgebaut. Kaiser Franz II. erneuerte die Betriebsbewilligung nicht mehr. Die Tierhetze wurde verboten. Nur mehr die Redensart „eine Hetz haben“ blieb übrig.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 26. Februar 2008