Das Zündholz war bis nach dem Zweiten Weltkrieg mit großer Macht verbunden: Macht über das Feuer und Macht der Konzerne. Zündhölzer wurden besteuert, monopolisiert, vom internationalen Kapital in Beschlag genommen. Die Linzer Unionstrasse hat ihren Namen ja nicht von der Sportunion, sondern von der Zündholzunion, dem machtvollen Zusammenschluss der Zündholzerzeuger, der 1882 gegründeten „Actiengesellschaft Union, vereinigte Zündholz- und Wichsefabriken“, die ab 1885/87 auch einen Betrieb in Linz hatte. Das Zündholz-Kartell wurde damals mit der Begründung errichtet, damit der immer stärker werdenden chinesischen Konkurrenz zu begegnen. 1903 wurde die Union mit den fünf anderen größten Zündholzfabriken Österreichs zur „Solo Zündwaren- und Wichsefabriken AG“ fusioniert: Der Name dieses Großkonzerns, „Solo“, ein einziger Erzeuger, drückte schon das Programm aus.
In der Kontrolle über das Feuer sehen viele Anthropologen den entscheidenden Schritt in der Menschwerdung des Menschen. Dass Zündhölzer augenblicklich möglich machten, was den Menschen bis dahin lange Mühen des Feuermachens abgenötigt hatte, erschien wie ein Wunder. Der Philosoph und Soziologe Herbert Spencer nannte Zündhölzer die größte Wohltat in dem an technischen Errungenschaften wahrlich nicht armen 19. Jahrhundert.
Die Reibungszündhölzer oder Streichhölzer wurden um 1830 an verschiedenen Orten entwickelt. Der Wiener Stephan Römer, der sein Zündholz-Privileg 1834 erteilt erhielt, rangiert unter den vielen Erfindern durchaus an prominenter Stelle. Er und seine Konkurrenten begründeten den Ruhm der österreichischen Zündholzindustrie. 1855, auf der Industrieausstellung in Paris, kam die Jury zu dem Schluss, dass alle wesentlichen Fortschritte in der Erzeugung von Zündhölzern von Österreich ausgegangen seien.
Die „Solo“ beherrschte den mitteleuropäischen Zündholzmarkt. 1927 ging ein Teil der Aktien an Ivar Kreuger, den schwedischen Zündholzkönig und Herrscher des europäischen Zündholzmonopols, einen der schillerndsten und meist bewunderten wie gehassten Kapitalisten des frühen 20. Jahrhunderts, der am 12. März 1932 so spektakulär durch Selbstmord endete. 1939 wurde die Solo in die „Deutsche Zündwaren Monopolgesellschaft“ eingegliedert, nach 1945 wieder verselbständigt und 1972 liquidiert. Seit 31. März 1982, nachdem auch der Standort Deutschlandsberg geschlossen worden war, besitzt Österreich keine Zündholzindustrie mehr.
Wer braucht im Zeitalter der Elektroherde und Zentralheizungen noch ein Zündholz? Das Feuermachen, einst eine der größten Errungenschaften des Menschen, ist nicht nur längst zur Routine geworden, sondern in unserem technischen Zeitalter auf ein paar spezifische Bereiche reduziert.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 2. Juli 2005, 32.