Die Österreicher lieben das Schwein. Fast 60 kg Schweinefleisch, also fast eine ganze Sau, verzehren sie pro Kopf und Jahr. Ihr Geld stecken sie in die Sparschweine. Manchmal lassen sie auch „die Sau raus“. Und zu Silvester kaufen sie die kleinen rosa Marzipanschweinderl. Einen Sauschädel zu Silvester zu essen war früher nicht nur ein Genuss, sondern bedeutete auch Glück. Zu einer lieben Tradition ist es geworden, das der Linzer Bürgermeister und der oberösterreichische Landeshauptmann beim Neujahrsempfang der Stadt Linz traditioneller Weise und in schöner Eintracht gemeinsam einen Sauschädel anschneiden. Es ist das nicht nur das Zeichen eines guten Umgangs mit alten Bräuchen, sondern auch eines intakten partnerschaftlichen politischen Klimas im Lande.
Seit der Urgeschichte ist das Schwein Begleiter, aber auch Konkurrent des Menschen. Anders als die Gras fressenden Rinder, Schafe und Ziegen suchen sich die Schweine dort ihre Nahrung, wo auch der Mensch zulangen könnte. Schweinefraß kann zu einem beträchtlichen Teil auch Menschennahrung sein. Manche Ethnologen vermuten, dass dies auch der Hauptgrund für die Tabuisierung von Schweinefleisch in zahlreichen Kulturen gewesen sein mag.
Die Menschen sagen über das Schwein wenig Gutes. Es ist das Reittier der Teufel und Hexen. Schweine sind verhext: „Sau, komm in dein Gestell, wie der Advokat in die Höll!“ Schweine verkünden die Zukunft: „Schweine rechts, bedeuten Schlechts, Schweine zur Linken, so wird Freude dir winken.“ Manchmal fühlt man sich sauwohl. Anderen aber kann es sauschlecht gehen. Die negativen Bewertungen überwiegen: Von der Drecksau und der wilden Sau über saudumm und saugrob, saukalt und sauteuer, Sauwetter und Saumagen und Sauhaufen und Saustall bis zu Saupreuße und Saupiefke muss das Schwein für alles herhalten, was einem unangenehm vorkommt. Und ist man einsam, so ruft kein Schwein an, ist keine Sau da…
Das Schwein ist Symbol für das Böse und gleichzeitig Symbol für das Glück. „Schwein gehabt“, bedeutet Glück gehabt. Ist das Glück vielleicht auch etwas Böses, so zufällig und scheinbar ungerecht es oft wirkt? Die Sau sticht den König. Das ist die verkehrte Welt des Glückspiels. Im Schlaraffenland laufen die Schweine mit dem Messer im Rücken. Das ist nicht die Realität der Welt. Allzu sehr sollte man sich daher auf das Glücksschwein nicht verlassen: „Schläft das Schwein, wächst das Fleisch, schläft der Mensch, wachsen seine Schulden“, sagt ein chinesisches Sprichwort. Insofern wünscht der Autor für das Neue Jahr nicht nur viel Glück, sondern auch den verdienten Erfolg und dazu den Segen Gottes.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 31. Dezember 2005