Grün

Die Grünen sind eine junge Partei. Sie haben ihr Programm ganz auf eine Farbe aufgebaut. Einen eigentlichen Parteinamen hat man gar nicht mehr. Die Farbe ist anders als bei den „Schwarzen“, „Roten“, „Blauen“ oder „Orangen“ und „Weißen“ nicht nur eine heraldische Zuordnung, sondern das eigentliche Programm. Die Wurzel des Wortes "grün" liegt in dem alten Wort „ghro“, was soviel wie „wachsen“ und „gedeihen“ bedeutet. Im Englischen wird dies mit der Verwandtschaft zu „grow“ ganz deutlich. Grün ist die Farbe des Frühlings, der erwachenden Natur, der Fruchtbarkeit, des Wachstums und in der christlichen Ikonographie auch die Farbe der Hoffnung. Noch positiver als im europäischen Kulturraum ist Grün in Wüstenregionen besetzt. Der Koran verspricht den Gläubigen ein grünes Paradies mit „blühenden Wiesen und sprudelnden Quellen“. Grün war die heilige Farbe Mohammeds. Daher wurde Grün zur allgemeinen Farbe muslimischer Länder. Libyens Flagge ist ein Stück grünes Tuch, ähnlich ist die der radikalen Hamas.

In der politischen Geschichte Österreichs spielte die Farbe Grün in verschiedener Hinsicht eine Rolle: als Farbe der Heimwehr in der Ersten Republik, als Farbe des Bauernbunds bis heute, als Plakatfarbe der ÖVP in den 1960-er und 1970er Jahren und erst seit den 1980er Jahren als Farbe der Grünbewegungen und der aus diesen herauswachsenden Grünparteien, wo sie nicht nur als Symbol für die Erhaltung der natürlichen Ressourcen, sondern ganz generell für eine erneuerte und alternative Lebensweise steht.

„Grüne“ Ideen haben eine lange Tradition und sind fast so alt wie das gesamte österreichische Parteiensystem. Die Parteien sind jung. 1972 gab es in Australien die weltweit erste Grünpartei. 1980 formierten sich die deutschen „Grünen“. 1982 entstanden auch in Österreich „grüne“ Parteien, gleich zwei an der Zahl, die „Vereinten Grünen Österreichs“ (VGÖ) und die „Alternative Liste Österreichs“ (ALÖ). 1986 fusionierten sie in turbulenten Auseinandersetzungen zur „Grünen Alternative“. Seit 1993 heißen sie offiziell „Die Grünen“.

So positiv grün als Farbe der Hoffnung und der Jugend besetzt ist, so sehr charakterisierte man damit doch immer auch gefährliche Personen und Gewalten. Grün gilt als Farbe des Giftes und der boshaften Dämonen, der Kobolde, Wassermänner und Neidhammel. Auch der Teufel ist der Volksmeinung zufolge nicht nur rot, sondern auch grün. Und was wächst, gilt als noch unerfahren. Die „Grünschnäbel“ und „greenhorns“ sind noch „grün“ hinter den Ohren. Allmählich werden sie an Reife gewinnen. Verdorren allerdings sollen sie nicht.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 16. September 2006, 36.