Es war ein Kindertraum der Nachkriegszeit, nicht nur an heißen Sommertagen: das Kracherl - so genannt wegen des krachenden Geräusches, das die Kohlensäure beim Öffnen der Flasche erzeugte. Der Inhalt: perlende Himbeer- und Zitronenlimonade mit viel Zucker und viel Kohlensäure. Vor dem Ersten Weltkrieg, als Zucker noch ein Luxusgut für wenige Reiche darstellte, waren Zuckerlimonaden noch ein beinahe unerschwinglicher Luxus. Doch auch in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts war ein süßes Kracherl für die meisten noch mehr ein Sonntagsvergnügen als ein Durstlöscher oder Alltagsgetränk. Im Alltag hielt man sich an das Wasser oder an selbst erzeugte Säfte verschiedenster Art.
Hermann Leopoldi hat in seiner Hymne auf das Wiener Vorstadtbeisl „In einem kleinen Café in Hernals“ mit der Zeile: „Und Kracherl, so heißt dort der Sekt!“ dem österreichischen Kracherl ein schönes Denkmal gesetzt. Das Kracherl war ebenso Teil der Wiener Heurigenromantik wie der Wirtshausbesuche oberösterreichischer Bauernfamilien, die es nur an hohen Festtagen, zu Kirtagen oder bei Erstkommunion und Firmung gab. Die Kinder bekamen ein Kracherl, wie es schmeckte, war eigentlich egal, die Farbe war wichtig, und das Prickeln der aufsteigenden Kohlensäure.
Als Kracherl galten alle süßen Softdrinks mit Kohlensäure, hauptsächlich mit Himbeer- oder Zitronengeschmack und in den Farben rot und gelb. Den Begriff „Kracherl“ kennt man nur in Österreich und Bayern, aber die süßen, perlenden Zuckersäfte wurden überall erzeugt, als der Zucker entsprechend billig geworden war. Das Wirtschaftswunder hat das Kracherl verdrängt. Der Erfrischungsgetränke-Boom war begleitet von der Durchsetzung der internationalen Markengetränke. Der Globalisierung durch Coca-Cola und Pepsi-Cola, aber auch Sinalco oder Libella suchte man nicht nur mit inländischen Cola-Imitationen von Austro-Cola über Chabeso-Cola und Fru-Cola bis zu Sport-Cola und Taxi-Cola zu begegnen, sondern auch mit Limonaden in alpenländischer Aufmachung, mit Traubisoda, Schartner Bombe, Keli, Gröbi und dem Almdudler mit dem berühmten Trachtenpärchen. Fünfzig Jahre, seit dem Jahr 1957, gibt es inzwischen die Marke Almdudler. Das rustikale Flair machte das Almdudler-Trachtenpärchen zu einem österreichischen Symbol. Für eine globale Karriere reichte es trotz einer schrägen Werbung mit „Almilidudeli-what?“ anders als bei einem anderen österreichischen Erfolgsdrink, bei Red Bull, dann doch nicht. Doch ein simples Kracherl gibt es fast nirgendwo mehr.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 18. August 2007, 28.