Schifahren

6000 Jahre alt soll die erste bildliche Darstellung eines Schifahrers sein, auf einer Felszeichnung im Norden Kareliens. Galten Schier vorerst als Hilfsmittel für „norwegische Landbriefträger“, so wurde ab 1891 mit dem Sensationserfolg von Fridtjof Nansens Buch „Auf Schneeschuhen durch Grönland“ der Aufstieg des Schilaufens ausgelöst. Von den großen Städten ausgehend wurde Schifahren zum Massensport. „Verrückte“ Briten, abenteuerhungrige Preußen und vergnügungs- süchtige Wiener bevölkerten die ersten Wintersportorte, vornehmlich in der Nähe der Großstädte und der berühmten Kurorte der Zeit, am Semmering, in Mürzzuschlag, in Lilienfeld, aber auch im Salzkammergut, in den Schweizer Alpen und im Erzgebirge oder Schwarzwald.

Mathias Zdarsky, der Lilienfelder Schipionier, hatte 1896 mit der „Lilienfelder Alpinen Skilauf-Technik“ die führende Stellung der Österreicher begründet. Frauen, abfällig als „Hoserl-Damen“ eingestuft, spielten in den Pionierjahren des Schisports eine überraschend große Rolle. Der Erste Weltkrieg brachte hier eine deutliche Wende. Durch den Winterkrieg im Hochgebirge, schrieb später der zu den k. u. k. Gebirgsjägern eingezogen gewesene Südtiroler Schischriftsteller Hubert Mumelter, habe der Schilauf jenen ungeheuren Aufschwung und auch eine Vermännlichung erfahren. Auch der Vorarlberger Oberstleutnant Georg Bilgeri, einer der großen Schipioniere der Zwischenkriegszeit, betonte die militärische Sichtweise: „Denn im Kriege stiegen wir nicht nur zum Vergnügen, sondern aus Pflicht zu Berge.“ Die neuen Schiheroen kamen seither nicht mehr aus den städtischen Oberschichten, sondern aus den Bauerndörfern, deren männliche Jugend die Hauptlast des Gebirgskrieges getragen hatte.

Der alpine Schilauf ist inzwischen zur kommerziell eindeutig wichtigsten und zu einer der am häufigsten ausgeübten Sportarten Österreichs aufgerückt: einer Mikrozensuserhebung der Statistik Austria zufolge sind es 43,8 Prozent der österreichischen Männer und 34,5 Prozent der Frauen. Kein Massensport ist so teuer und so sehr zum Umweltproblem geworden wie das Schifahren: Künstlicher Schnee, künstliche Pisten, künstliche Aufstiegshilfen, Kunststoffschier und künstliche Hüttenromantik erscheinen inzwischen unverzichtbar. Wohlweislich schweigt sich die Statistik über die gesundheitlichen und ökologischen Folgen anders als beim Verkehr weitgehend aus. So ist es vielleicht die ausgleichende Gerechtigkeit, dass der ökologisch induzierte Klimawandel wohl zuerst und am massivsten den Schisport treffen wird. Die Natur regelt eben manches selber.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 12. Jänner 2008, 36.