Camping

Die Nomaden sind wieder unterwegs: mit Wohnwagen und Zelt, auf mehr oder weniger gut verwalteten Campingplätzen und bis in die letzten Naturreservate dieser Welt. Während es für wohlhabende Leute noch nie ein Problem gewesen ist zu reisen, entstand mit dem Camping eine Bewegung, die sich politisch, kulturell und finanziell von allen Zwängen befreien wollte und auch eine spezielle Art des Reisens hervorbrachte: Aus den billigen Wanderfahrten mit dem zerbeulten, am vollgestopften Rucksack baumelnden Kochgeschirr entwickelte sich der moderne Campingurlaub. Ein Auto, ein regendichtes, komfortables Zelt, ein Campingkocher, etwas Geschirr, das waren einst die Minimalanforderungen.

1934 begab sich der Hamburger Schriftsteller Heinrich Hauser mit seiner Familie im selbstgebauten Wohnwagen, der hinter das Auto gespannt wurde, auf eine 143tägige Reise quer durch Deutschland. Platzsparend wurden die Küchenutensilien in hölzernen Käfigen stoßsicher und klapperfrei eingebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich die Wohnwagenkultur zu ungeahnter Raffinesse, zu einer perfekten Ausdehnung des bürgerlichen Wohnzimmers in die freie Natur. Das Firstzelt mit Luftmatratze markierte das „Kriechstadium“ des Campings. Mit dem Steilwandzelt entstanden Wohnverhältnisse, mit denen der Benutzer „von Haus aus“ vertraut war. Die Bungalow- und Hauszelte, mit überdachtem Terrassenvorbau und Unterteilungen in einzelne Funktionsbereiche, führten zu den Zeltvillen unserer Tage, deren Ausstattung von Saison zu Saison verbessert wird. Moderne Campingplätze bieten nicht nur gepflegte Sanitäreinrichtungen, sondern auch Elektroanschlüsse für Waschmaschinen, Kühlschränke, Elektroherde und Fernsehapparate. Die häusliche Ordnung setzt sich auf den Campingplätzen fort, an den Stränden des Mittelmeeres und an den Seeufern der Alpen.

Camping ist längst nicht mehr ein sparsamer Urlaub, sondern ein letzter Hauch von Abenteuer. Die Lust am Lagerfeuer unter freiem Himmel, an der Mobilität der Wohnwägen und an der Naturnähe der Zeltstädte ist geblieben. Längst sind es nicht mehr nur oder gar nicht mehr die jugendbewegten Pfadfinder und Wandervögel, die mit einem kleinen Giebelzelt, mit einfachem Mundvorrat und viel Idealismus im Rucksack der Enge der Städte zu entfliehen versuchen. Die wachsenden Ansprüche an die moderne Zivilisation, auf die dann doch nicht verzichtet werden will, machen den Campingurlaub zu einem Massenphänomen der Industriegesellschaft und zu einem wirtschaftlich hoch profitablen Nachfragesegment.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 11. August 2007, 30.