Man tarockiert wieder. Zwischen Oktober und März wird üblicher Weise der Raiffeisen Tarockcup ausgespielt, mit dem Finale im Gasthof Haudum in Helfenberg. Es gibt Freistädter Karten-Turniere, einen Hausruck-Cup, die Seekirchner Tarockolympiade, den Attergauer Tarockradweg, Seminare, Lehrgänge und Computerprogramme, Clubs, Vereine und viele formelle und informelle Tarock-Runden im Lande.
Kartenspiele gibt es in Europa seit circa 1375. Das Tarock, bei dem eine zusätzliche Serie von „triumphi“, verdeutscht in „Trümpfe“, neben den vier „Farbkarten“ eingeführt wurde, war in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts in Italien erfunden worden. Um 1750 dürfte es nach Wien gelangt sein. Im 19. Jahrhundert gehörte Tarock in österreichischen Offiziers- und Beamtenkreisen, bei Studenten und Künstlern zu den beliebtesten Spielen. Mozart war begeisterter Tarockierer, ebenso Johann Strauß oder Sigmund Freud. Auch Nestroy war ein fanatischer Anhänger, auch wenn er sich als zynischer Kritiker gab: „Ist das etwas Angnehms, wenn ich mich hinhock / und spiel von halb drei bis um neune Tarock? / Der eine spielt schmutzig, der andere schlecht, / das ist ja grad, dass man aus der Haut fahren möcht!“ Er kannte sie, die Staudenhocker, die alle Trümpfe haben und „weiter“ sagen, oder die draufgängerischen Hasardeure und die schwächelnden Mitgeher: „Da finden d’ Leut dran a Vergnügn? / Ich offen gsagt ned, ich müsste lügn!“
In den Werken vieler prominenter österreichischer Literaten wird tarockiert: bei Horvath, Werfel, Musil, Rosegger, Ebner-Eschenbach, Torberg, Handke und vor allem Herzmanovsky-Orlando. Auch unter den österreichischen Politikern gab und gibt es sie: Karl Renner und Julius Raab, Franz Vranitzky und Wolfgang Schüssel. Auch von Äbten und Bischöfen, Bankern und Managern weiß man um ihre Tarockkenntnisse. Nur Hitler hasste das Kartenspiel: In „Mein Kampf“ polemisierte er gegen Leute, denen eine Partie Schafskopf oder Tarock wichtiger wäre als das Schicksal einer Rasse.
Noch heute wird Tarock vorwiegend in jenen Ländern gespielt, die früher zur Habsburgermonarchie gehörten: in Ungarn Zwanzigerrufen, in Slowenien Königrufen, in Tschechien Neunzehnerrufen, in Teilen Baden-Württembergs, dem früheren Vorderösterreich das Cego, und in Teilen Rumäniens und der Ukraine, der früheren Bukowina ebenfalls Königrufen. Eigene regionale Varianten werden sowohl in Nordtirol als auch in Südtirol gespielt. So mag man mit gutem Grund im Tarock ein Mittel sehen, dem im Raum eines wieder vereinigten altösterreichischen Europas eine besondere verbindende Rolle zukommen könnte.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 18. Februar 2006