Das Feuer ist eines der beiden Themen der diesjährigen Niederösterreichischen Landesausstellung, im alten, von Hans Hollein adaptierten Rothschildschloss in Waidhofen an der Ybbs. Das Feuer ist jene Urgewalt, die der Mensch als erstes zu zähmen gelernt hat und die ihm quasi von den Göttern geschenkt ist. Die Feuerstelle wurde zum Zentrum des Hauses. In der Kontrolle über das Feuer sehen viele Anthropologen den entscheidenden Schritt in der Menschwerdung des Menschen. Wer das Feuer zu nutzen vermag, gewinnt selbst eine gottähnliche Stellung.
Vor 30.000 Jahren dürfte mit Feuersteinen erstmals Feuer geschlagen worden sein. Am so genannten Galgenberg bei Krems wurde eine der ältesten bislang identifizierten mensch- lichen Feuerstellen ausgegraben und etwa 1,5 Meter davon entfernt eines der ältesten Kunstwerke der Welt, eine etwa 7 cm große Steinstatuette, die so genannte Venus vom Galgenberg. Der führende Prähistoriker Österreichs Otto Urban sieht in dieser frühesten künstlerischen Darstellung aus Österreich eine männliche oder weibliche Figur, die seiner Meinung nach im abgewinkel- ten Arm eine brennende Fackel empor hält: die älteste künstlerische Darstellung des Feuers.
Nicht zufällig wurde Waidhofen als Standort für diese Ausstellung gewählt. Das Feuer hat in der Schmiedelandschaft der Eisenwurzen eine besondere Bedeutung: Schmiede und Zinngießer, Bäcker und Seifensieder, Köhler und Bierbrauer, Glasmacher und Emaillierer, Ziegel-, Schnaps- und Kalkbrenner – alle brauchen das Feuer. Der Nutzen und die Macht des Feuers sind mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung immer größer geworden. Ohne die Nutzung der vielfältigen Energieträger wäre die moderne Wirtschaft nicht denkbar. Energie ist der Engpassfaktor und die Zentralressource der modernen Wirtschaft.
Das Feuer ist Segen und Gefahr. Der Schrecken des Feuers waren den Menschen immer bewusst: Hausbrände, Stadtbrände, Theaterbrände, Fabriksbrände, Schiffsbrände. Das Feuer übte eine vernichtende Gewalt, von den Mordbrennern traditioneller Kriege bis zum Feuersturm des Bombenkrieges und der apokalyptischen Bedrohung durch die Atombombe. Man hat Bilder verbrannt, Bücher verbrannt, Synagogen verbrannt, Menschen verbrannt, von den mittelalterlichen Bilderstürmen und Ketzer- verfolgungen bis zu den nationalsozialistischen Bücherverbrennungen und der unvorstellbaren Barbarei des Holocaust. Viele Mythen und Geheimnisse ranken sich um das Feuer, von den Göttern, die dem Menschen das Feuer gebracht haben, bis zum ewigen Feuer der Hölle und dem ewigen Licht des Himmels. Das alles umfasst die Thematik der Landesausstellung.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 5. Mai 2007, 38.