2005 ist ein Jahr der Jubiläen und Erinnerungen: an den EU-Beitritt, den Staatsvertrag, das Ende des Weltkrieges, an Berta von Suttner, Friedrich Schiller oder Adalbert Stifter. Nicht vergessen werden soll auch ein anderes Jubiläum: Vor 200 Jahren, im Jahr 1805, sind in Wien die „Frankfurter“ erfunden worden, die „Wiener Würstel“, wie sie außerhalb Österreichs genannt werden.
Der 1772 in Oberfranken geborene Johann Georg Lahner war der Erfinder. Er hatte in Frankfurt das Metzgerhandwerk erlernt und war 1798 auf der Wanderschaft nach Wien gelangt, wo er 1804 am Neubau eine eigene Fleischerei eröffnete. Dort kreierte er 1805 die bis heute berühmten und beliebten Würstel. Der Erfolg war so groß, dass ihn sogar der Kaiser einlud, ihm persönlich seine Kreation in der Hofburg vorzuführen. Auf die Frage des ratlosen Monarchen, mit welchem Besteck man diese Würstel essen solle, antwortete Lahner angeblich: „Mit der Hand, Majestät, mit der Hand!“ Das Fingerfood war erfunden.
Es war die Zeit, als auch der Walzer erfunden wurde und 1814 der berühmte Wiener Kongress abgehalten wurde, auf dem ebenso viel getanzt wie gegessen wurde. Österreich, so sagte man damals, hatte den Lanner fürs Herz und den Lahner fürn Magen.
Der Oberösterreicher Adalbert Stifter war einer der guten Kunden Lahners. Er bestellte bei einem Wiener Freund immer wieder Würstelsendungen, wobei der Transport das schwierigste Problem darstellte: „Kaufe mir für das Geld“, schrieb er, „welches in diesem Briefe liegt, so viele so genannte Frankfurter Würstel, als du bekömmst, wenn du vorher die Schachtel bezahlt hast, in die du die Würstel tun musst, damit sie mir überbracht werden. Aber höre und überlege wohl: du darfst die Würstel nur bei kaltem Wetter senden.“
Österreich ist ein Land der Würstel und Würste. Auffallend ist nur, dass sie fast durchgehend nach ausländischen Städten und Regionen benannt sind: Die Würste, die in den Wurstabteilungen der österreichischen Fleischhauereien und Supermärkte angeboten werden, heißen Debrecziner, Polnische, Mailänder, Augsburger, Berner, Bosner, Pariser, Münchner, Krakauer, Braunschweiger, Nürnberger, Ungarische, Krainer, Burenwürste und eben auch Frankfurter.
Außerhalb Österreichs hingegen schätzte man die Wiener Herkunftsbezeichnung: In Mailand gab es die „Wiener“ seit 1842 und in Amsterdam seit 1861. Auf der internationalen Kochkunstausstellung 1884 wurden die Wiener Würstel mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Ein Neffe Lahners, der nach Amerika auswanderte, nahm sie in die USA mit, von wo sie als Hot Dogs wieder nach Europa zurückkehrten. Wirklich original, mit Krenn und mit Semmel, aber kriegt man die Frankfurter nur in der österreichischen Küche.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 25. Juni 2005, 36.