Die Geschichte des Krampus ist reichlich dunkel. Schon die Geschichte des Wortes ist umstritten. Es gibt Sinn, es mit der in den österreichischen Mundarten gebräuchlichen Bezeichnung „Krampen“ und „krampat“ für einen groben und ungeschlachteten Kerl in Zusammenhang zu bringen. Als Bezeichnung für den oder die Begleiter des heiligen Nikolaus hat sich der Krampus von Österreich aus verbreitet. In die benachbarten ost- und südosteuropäischen Länder, nach Slowenien, Kroatien und Ungarn ist der „Krampusz“ als Lehn- oder Fremdwort übernommen worden. In Osttirol hingegen begegnet man dem Klaubauf oder vielen Kleibeif, wie die Mehrzahl lautet: In Matrei in Osttirol stoßen sie am Krampustag die Leute um und klauben sie dann wieder auf. Anderswo sind diese Begleiter des hl. Nikolaus als Knecht Ruprecht, als Rumpelklas, Nickel, oder Pelznickel, im amerikanischen Pensylvanien als Belsnickel, in Schwaben und im Elsass als Hans Muff und Hans Trab, in den Niederlanden und Belgien als der „Zwarte Piet“, also als der Schwarze Peter und in Frankreich als „Le Père Fouettard“ bekannt, als der schwarze Mann mit Rute oder Stock, die er auf die schlechten Kinder anwendet. Diese Begleiter sind in unterschiedlichem Grade Furcht einflößend, vom eher als Träger und Gehilfe auftretenden Ruprecht, der immer mehr in die Maske des Weihnachtsmanns geschlüpft ist, bis zu den wilden Teufelsmasken der alpenländischen Krampusse.
Ist der Krampus ein Teufel, der die Bösen bestraft, während der Nikolaus die guten belohnt, oder brechen hier die Wurzeln eines heidnischen Perchtentreibens durch? Das Treiben der maskierten Perchten und Krampusse gehört in den großen, ja weltweiten Kontext des Sich-Maskierens und Verkleidens, das mit bestimmten Freiheiten und Lizenzen für die Beteiligten verbunden ist. Solche kurzfristige Umkehrungen des Normalen, die eine genau terminierte Erlaubnis zum Über-die-Stränge-Schlagen ermöglichen, finden sich in vielen Kulturen. Es vereinigen sich hier heidnische oder christliche Traditionen. Im Krampus steckt der christliche Teufel, aber auch das magische Fruchtbarkeits- und Wintertreiben einer vorchristlichen Kultur.
Die Zeiten der schwarzen Pädagogik, die Kinder mit strafenden Mächten schreckt, sind vorbei. Der Teufel darf nicht mehr schrecken. Doch Krampusse sind beliebter denn je, trotz oder vielleicht gerade wegen ihres schrecklichen Aussehens, das im neumodischen Haloween-Treiben eine amerikanisierte Neuausformung erhält. Man verkleidet sich höchst gerne. Und je extremer, umso lieber.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 1. Dezember 2007, 32.