Christbaum

Woher der Brauch stammt und wie es dazu gekommen ist, zu Weihnachen Bäume aufzustellen und sie mit Lichtern und Kugeln zu schmücken und mit kleinen Geschenken zu behängen, ist schwer zu klären. Der Lichterbaum als Mittelpunkt des Weihnachtsfestes ist seit dem späten 16. Jahrhundert belegt, zuerst im Elsass, wo schon damals mit Backwerk und Äpfeln geschmückte Weihnachtsbäume bekannt waren, dann im 18. und 19. Jahrhundert im skandinavischen Norden, und er hat sich seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts über die ganze Welt verbreitet.

In Wien hatte Henriette von Nassau, die Gemahlin Erzherzog Karls, 1816 einen Christbaum für ihre Tochter geschmückt. 1830 sei die Nachfrage nach Christbäumen in Wien schon so groß gewesen, dass die Märkte großen, künstlich mitten in der Stadt aufgebauten Wäldern geglichen hätten. In Oberösterreich hatte Freiherr von Spaun 1818 schon so einen Baum. Der Christ- baum, der 1840 im Haus des Rieder Kaufmanns Rapolter stand, war eine Sensation. Das Bild, auf dem der geschmückte Baum und die darunter aufgelegten Geschenke festgehalten sind, ist eines der volkskundlichen Juwelen des Rieder Stadtmuseums.

Wann es wo in Oberösterreich den ersten Christbaum gab, ist recht minutiös aufgezeichnet worden: 1840 in Neumarkt-Kallham, 1859 in Schwanenstadt, 1884 in Oftering, 1910 in Arnreit … Seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts gibt es Nachrichten über Weihnachtsbäume in Schulen. Schon vor 1914 wurden auch Weihnachtsbäume auf Gräber gestellt. Der Weihnachtsbaum auf Plätzen und Straßen großer Städte scheint aus Amerika zu stammen. 1912 wurde einer in New York aufgestellt. Nach 1919 wurden Weihnachtsbäume auf öffentlichen Plätzen auch in Mittel- und Nordeuropa immer beliebter. Auf dem Linzer Hauptplatz gibt es ihn seit dem Jahr 1960. Beleuchtete Christbäume findet man heute nahezu überall, in Kaufhäusern, in Werkshallen und Bürogebäuden, in Hausgärten, inzwischen auch in Kirchen. Denn die Kirche hat sich lange gegen den Weihnachtsbaum gewehrt.

Auch wenn der Christbaum, wie wir ihn heute kennen, nur etwa 200 bis 400 Jahre alt ist, so sind Bäume zu Weihnachten doch viel älter. Weihnachtsbäume mussten nicht immer Tannen und Fichten sein: Auch Eiben, Föhren, Wacholder, Stechapfel, Mistel, Schlehdorn waren üblich. Und um den Waldschutz hat man sich dabei recht früh sorgen gemacht: Im Elsass wurden schon im 16. Jahrhundert „Weyenacht-Meyen“ von mehr als zweieinhalb Metern Höhe verboten. 1848 gab es in Wien schon einen Erlass „gegen die waldzerstörerische Gewinnung von Christbäumen“, und hundert Jahre früher schon in der Salzburger Waldordnung ein Verbot, „Weynacht- oder Bachel-Boschen“ abzuhacken. Holte man sich früher einfach einen Baum aus dem Wald, nicht selten und lieber aus dem des Nachbarn, so ist inzwischen die Christbaum-Erzeugung zu einem kleinen, aber feinen Zweig der Agrikultur geworden.

Roman Sandgruber

Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 24. Dezember 2005