1945: Österreich war frei. Doch realisieren mochte die neue Freiheit noch kaum jemand, im Gefühl der Besatzungszeit und in der Not des Wiederaufbaus. Von der Möglichkeit des Wirtschaftswunders und seinen haushaltstechnischen Annehmlichkeiten wagte noch niemand zu träumen. Das verbreitetste Elektrogerät war in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch das Bügeleisen. Seine Vorteile waren offensichtlich. Es brauchte keine extra gefertigten Anschlüsse, nur eine Steckdose oder einen in die Schraubfassung der Glühlampe eingefügten „Räuber“.
1888 hatte der Vorarlberger Friedrich Wilhelm Schindler das erste funktionsfähige Elektro-Bügeleisen vorgestellt. Schon vor 1914 war in einer Stadt wie Gmunden, das hinsichtlich der Elektrifizierung dank Stern & Hafferl Pionierstellung genoss, in etwa der Hälfte der elektrifizierten Haushalte ein elektrisches Bügeleisen vorhanden. 1937 rangierte in Linz das Bügeleisen an der Spitze aller vorhandenen Elektrogeräte, noch vor dem Rundfunkempfänger. Und 1950 besaßen 95,7 Prozent der von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich in einer Stichprobe erfassten Linzer Haushalte ein elektrisches Bügeleisen. 1955 war denselben Erhebungen zufolge eine praktisch 100prozentige Ausstattung gegeben.
Welche Entlastung das Elektro-Bügeleisen bedeutete, ist heute kaum mehr bewusst. Mit den schweren „Stagel-Eisen“, in deren hohlen Körper ein glühender Stahl geschoben wurde, war Bügeln weibliche Schwerarbeit. Und die Kohlen-Eisen, die mit glühenden Holzkohlen gefüllt wurden, verursachten wegen des entweichenden Kohlenmonoxyds häufig Kopfweh und Übelkeit. Frauen klagten: „Das Bügeleisen. Was war das für eine Qual gewesen! Wenn wir heizten, wurde der Stagl in die Glut gelegt und dann glühend in das Eisen geschoben. Schlimmer noch war das Holzkohleneisen. Mir wurde immer schlecht beim Bügeln. Auch das Gasbügeleisen war schwer und stank ...“
Frauenarbeit blieb das Bügeln auch mit der Elektrifizierung noch allemal. Auch Werbesprüche wie „Die Hausfrau stets bekennen muss, elektrisch bügeln schafft Genuss“ konnten darüber nicht hinwegtäuschen. Die Bügelarbeit war damit zwar weniger anstrengend geworden, der Berg an Bügelwäsche aber immer größer geworden. Steif gebügelte Krägen und scharfe Hosenfalten waren seit dem späten 19. Jahrhundert zu einem der wichtigsten Mittel der Verdeutlichung sozialer Unterschiede geworden. Erst Jeans und T-Shirts, die mit den Amerikanern mitkamen, brachten eine neue Freiheit, für die Männer die Freiheit von der Bügelfalte, für die Frauen ein bisschen weitere Entlastung vom Zwang des Bügelns. Aber bis zu den bügelnden Männern dauerte es, wenn überhaupt, noch lange.
Roman Sandgruber
Aus der Serie "Alltagsdinge". Oberösterreichische Nachrichten, 18. Juni 2005, 33.